Der Verzicht auf Fleisch ist eine Entscheidung, die in Deutschland immer mehr Menschen für sich treffen. Doch viele kehren sogar tierischen Produkten komplett den Rücken und entscheiden sich für eine vegane Lebensweise. Während komplett tierfreie Produkte früher nur eine kleine Nische waren, die allenfalls Naturkostläden bedienten, gibt es vegane Lebensmittel heute in jedem Supermarkt. Nach Schätzungen haben sich in Deutschland zwischen 600.000 und 1,2 Millionen Menschen für eine vegane Lebensweise entschieden. Doch von einem kurzlebigen Trend zu sprechen wäre eine Fehleinschätzung. Denn eine vegane Lebensweise ist mehr als nur der Verzicht auf Fleisch und Eier.
Was bedeutet vegane Lebensweise?
Veganer nehmen keinerlei Produkte zu sich, die aus tierischen Quellen stammen. Neben Fleisch und Fisch gehören dazu auch Eier, Milch und Käse. Die vegane Lebensweise umfasst dabei nicht nur Lebensmittel und Produkte, die aus Tieren gewonnen wurden, sondern auch von ihnen. Das bedeutet zum Beispiel, dass vegan lebende Menschen keinen Honig essen, aber auch keine E-Stoffe, die aus Läusen gewonnen werden, zu sich nehmen. Der vegane Lebensstil beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Nahrung, sondern umfasst alle Bereiche des täglichen Lebens. Auch Kleidung, Kosmetik und Alltagsgegenstände müssen beim veganen Lebensstil frei von tierischen Inhaltsstoffen sein. Schuhe sind aus Kunstleder oder Mikrofaser, Kosmetik besteht aus pflanzlichen Inhaltsstoffen und enthält keinerlei Tierprodukte. Auch wenn die vegane Lebensweise mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, halten sich die Vorurteile hartnäckig. Da ist von verschrobenen Ökos die Rede und einseitiger Ernährung, die über kurz oder lang zu Nährstoffmangel führt.
Die ethischen Hintergründe
Der Schritt vom Fleischesser zur veganen Lebensweise passiert meistens über die Zwischenstation der vegetarischen Ernährung. Vegetarier lehnen Fleisch- und Fischkonsum ab, da sie nicht für Tod und Elend der Tiere verantwortlich sein möchten. Den Ausschlag für den Umstieg zum Veganismus gibt dann die Erkenntnis, dass auch Milchprodukte und Eier nicht frei von Leid und Tod produziert werden können. In den Betrieben, die Massentierhaltung pflegen, herrschen katastrophale Aufzucht- und Lebensbedingungen. Nicht nur, dass die Tiere mit Hormonen und Antibiotika vollgestopft werden. Milchkühe werden künstliche besamt, damit sie die Milch abgeben. Ihre männlichen Kälber werden so schnell wie möglich zu Kalbsfleisch, während den weiblichen Nachkommen ebenfalls das traurige Schicksal als Milchkuh droht. Ein langes Leben ist diesen Kühen in der Regel nicht vergönnt. Lässt ihre Milchproduktion nach einigen Jahren nach, werden sie zum Schlachtvieh degradiert. Die Situation bei den Legehennen ist nicht besser, denn die männlichen Küken werden nach dem Schlüpfen aussortiert und vergast oder noch lebendig in den Schredder geworfen werden, weshalb auch Eier vom Speiseplan gebannt gehören. Abgesehen von den gezielten Tötungen prangern vegan Lebende auch die Lebens- und Transportbedingungen von Schlacht- und Nutztieren an. Biofleisch und Bioeier werden hierbei nicht als Alternative gesehen, da hier ebenfalls die Standards des Tierschutzes nicht immer garantiert sind. Dabei gibt es keinen Grund, Tieren den Schutz abzusprechen, den man auch bei Menschen anwenden würde.
Mehr Gründe für eine vegane Lebensweise
Die Diskussion um die vegane Lebensweise dreht sich meist nur um die Nahrung. Dabei gibt es für vegan Lebende neben dem Tierschutz noch mehr gute Gründe, um auf Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte zu verzichten. Denn auch Umweltschutz ist für vegan Lebende eine Herzensangelegenheit. Denn Massentierhaltung ist einer der größten Umweltverschmutzer und Ressourcenverschwender überhaupt. Eine besondere Problematik besteht bei dem Ausstoß von Stickoxiden. Denn Stickoxid treibt die globale Erwärmung ungefähr dreihundertmal so viel voran wie CO2. Die Emissionen der Tierindustrie sind um 18 Prozent höher als die des gesamten globalen Verkehrsaufkommens. Die Situation bei den Futtermitteln ist nicht besser. Denn rund 70 Prozent des weltweit angebauten Getreides werden zur Fütterung der Milch und Fleisch produzierenden Tiere verwendet. Die folgende Rechnung verdeutlicht die Dimension: Um ein Kilogramm Fleisch herzustellen, werden 22 Kilogramm Getreide und etwa 20.000 Liter Wasser benötigt. Anders ausgedrückt, werden für die Nahrung eines Veganers weniger als 1400 Liter Wasser am Tag verbraucht, während ein Fleischesser mit knapp 22.000 Litern zu Buche schlägt. Unter dem Aspekt, dass in Entwicklungsländern sowohl sauberes Trinkwasser als auch Getreide fehlt, ist dieser ethische Aspekt für eine vegane Lebensweise absolut nachvollziehbar. Da all die Nutztiere Futter benötigen, sind mittlerweile ganze Landstriche entwaldet, damit die Getreidemengen für Schlachtvieh produziert werden können. Das zerstört den Lebensraum vieler Arten und trägt zum Klimawandel bei. Eine Rechnung geht davon aus, dass eine vegane Lebensweise alleine 4000 Quadratmeter Wald pro Jahr rettet. Die eingesetzten Düngemittel und Pestizide verseuchen Grundwasser, Boden und Luft. Auch die Überfischung und Ausbeutung der Meere trägt dazu bei, das Ökosystem aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Vegane Lebensweise ist eine Absage an die Globalisierung
Der Anbau der Futtermittel führt dazu, dass weltweit immer mehr Nutzflächen von Großinvestoren erworben werden. Das stellt besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern ein massives Problem dar. Denn hier werden Futtermittel angebaut, die Nutztieren irgendwo in Massenhaltungsbetrieben der Industrienationen verabreicht werden. Die Monokultur laugt nicht nur die Böden aus, auch die regionale Landwirtschaft mit ihrem Prinzip der Selbstversorgung durch vielseitig nutzbare Ackerflächen stirbt aus. Kleinbauern können nicht mehr autark agieren und geraten in Abhängigkeit von Großkonzernen. Traditionelles Wissen um Ackerbau und bestimmte regionale Lebensmittel stirbt so Schritt für Schritt aus. Eine vegane Lebensweise bedeutet, der Globalisierung, die dafür sorgt, dass die Schere zwischen Arm und Reich in der Welt immer weiter auseinanderklafft und für eine drohende Unterversorgung von Millionen von Menschen steht, eine klare und mutige Absage zu erteilen. Denn Fakt ist auch, dass Nutztiere mehr Wasser, Kalorien und auch Proteine konsumieren als sie tatsächlich produzieren. Das mit der Nahrung aufgenommene Eiweiß landet am Ende nicht in Fleisch, Milch oder Eiern, sondern sorgt lediglich für das Aufrechterhalten der Körperfunktionen der Tiere. Unter dem Strich leistet eine vegane Ernährung einen größeren Beitrag zum Umweltschutz und zu einer besseren Welt, als es mit dem Fahrrad, zu Fuß oder einem grünen Auto jemals möglich wäre.
Gesünder leben durch vegane Ernährung
Die meisten Zivilisationskrankheiten sind heute auf eine nicht ausgewogene Ernährungsweise zurückzuführen. Meistens liegen die Ursachen für Diabetes vom Typ 2, Allergien, Stoffwechselerkrankungen und Schwächen des Herz-Kreislaufsystems in einer unausgewogenen Ernährung. Gegessen werden zu viel Kohlenhydrate, ungesunde Fette und Massen an Proteinen, aber viel zu wenig Ballast- und Vitalstoffe. In Zeiten, in denen die Pharmaindustrie für jedes Wehwehchen eine Pille auf dem Markt hat, geht zudem altes Wissen über die Heilkräfte der Natur und die Wichtigkeit um frisches Gemüse und Kräuter zunehmend verloren. Wenn eine vegane Lebensweise korrekt durchgeführt wird und alle notwendigen Nährstoffe regelmäßig konsumiert werden, ist der Organismus mit allem versorgt, was er braucht. Vegan lebende Menschen haben fast immer hervorragende Cholesterinwerte und einen gesunden, ausgeglichenen Blutzuckerspiegel. In der medizinischen Praxis hat sich häufig gezeigt, dass eine vegane Lebensweise dazu führt, dass gegen bestimmte Krankheiten wie Diabetes, Arthritis oder Morbus Crohn keine Medikamente mehr gegeben werden müssen. Die vegane Lebensweise mit ihrer auf Pflanzen basierten Nahrung stärkt zudem das Immunsystem. Auch bei Krebs und Multipler Sklerose hat sich herausgestellt, dass eine vegane Lebensweise zu einem positiven Krankheitsverlauf führt und die Heilung unterstützt. Wer vegan lebt, hat zudem ein geringeres Risiko, an bestimmten Krebsarten zu erkranken. Eine vegane Lebensweise scheint zudem das Sexualleben bis ins hohe Alter hinein zu gewährleisten, denn Männer mit dieser Ernährungsform klagen weitaus seltener über Erektionsprobleme und Impotenz.
Eine Ernährungsform, die Kreativität verlangt
Natürlich kann man einen Menschen, der sich ausschließlich von Nudeln mit Tomatensoße und Pommes ernährt als vegan bezeichnen. Eine vegane Lebensweise ist das jedoch trotzdem nicht. Denn gesund ist diese Ernährungsform nur, wenn die ganze Bandbreite pflanzlicher Nahrungsmittel ausgeschöpft wird. Zentrale Bausteine der Ernährung sind neben Obst und Gemüse auch Hülsenfrüchte, Getreide und Nüsse. Das führt zu Mahlzeiten, die auf komplexen, ballaststoffreichen Kohlenhydraten mit viel gesundem Eisen basieren und den Energielevel den ganzen Tag über konstant halten. Zugegebenermaßen ist die Umstellung auf eine vegane Lebensweise am Anfang schwer. Viele Gerichte, die man gewohnt war, lassen sich nun nicht mehr kochen oder müssen mit extremem Aufwand umgewandelt werden. Bei veganer Lebensweise sind Kreativität und Fantasie gefragt, schon bald gelangen neue, bislang unbekannte Zutaten wie Chili, Ingwer, orientalische Kräuter und Gewürze oder Fernöstliches in die Küche. Diese Zutaten haben den Vorteil, dass viele von ihnen Stoffwechsel, Gehirn und sogar die Stimmung positiv beeinflussen können. Auch Smoothies, dabei vor allem der grüne Smoothie mit seinen geballten Vitalstoffen von Wildkräutern, Gräsern und chlorophyllhaltigem Gemüse ist eine Innovation der veganen Küche. Auf Süßigkeiten muss man bei dieser Ernährungsform nicht verzichten. Denn der wenig nachhaltige und gesundheitsgefährdende weiße Industriezucker kann leicht durch vegane Süßungsmittel ersetzt werden. Viele berichten zudem, dass nach der Ernährungsumstellung schon bald Kaffee unattraktiv wurde.
Tierfrei schläft sich besser
Etliche Studien haben gezeigt, dass eine vegane Lebensweise zu einem idealen Body Mass Index (BMI) von 20 bis 25 führt. In Zeiten, in denen 55 Prozent aller Deutschen als zu dick und davon sogar 16 Prozent als krankhaft adipös gelten, ist nicht nur der Tierschutz, sondern auch die Gesundheit ein schlagendes Argument, um auf diese Ernährungsform umzusteigen. Die Statistiken zeigen, dass vegan Lebende im Schnitt zehn Kilo leichter sind als Mischköstler. Dabei ist Veganismus keine Diät, obwohl der Verzicht auf Fleisch und Milchprodukte Mangelgefühle auslösen kann, die charakteristisch für eine Diät sind. Sind die ersten Hürden jedoch genommen, wird die Vielseitigkeit veganer Ernährung entdeckt und geschätzt, denn die Prinzipien dieser Lebensform sind leicht zu verinnerlichen. Der Gewichtsverlust findet nur langsam statt und der für Crashdiäten typische Jojo-Effekt tritt nicht ein, da kein Rückfall in alte Ernährungsmuster folgt. Doch nicht nur der Stoffwechsel wird durch den veganen Lebensstil auf Hochtouren gebracht. Denn eine gute Ernährung ist maßgeblich mitverantwortlich für einen guten Schlaf. In der Nacht finden im Körper eine Menge Reinigungs- und Entschlackungsprozesse statt. Wenn der Organismus hart arbeiten muss, weil die Verdauung nur schwer vonstattengeht und viele körperfremde Stoffe abgebaut werden müssen. Neuveganer berichten regelmäßig, dass sich ihr Nachtschlaf erheblich verbessert hat. Die vegane Lebensweise ist auch psychologisch interessant. Viele verspüren durch den Verzicht auf Fleischkonsum und tierische Produkte eine seelische Erleichterung. Manch einer hat durch den veganen Lebensstil auch nachhaltige Unterstützung in seiner Meditationspraxis erfahren.
Vegan in allen Lebensbereichen
Wenn Ernährung und Kleidung vegan sind, aber der Strom von Atomkraft kommt, ist das ein Widerspruch zur veganen Lebensweise. Denn der Umgang der jetzigen Generation mit der Umwelt und ihren Ressourcen hat maßgeblichen Anteil daran, welcher ökologische Fußabdruck für die Nachkommenschaft hinterlassen wird. Auch Vegetarier, Umweltaktivisten und im Tierschutz Engagierte wollen weg vom Strom aus Atom und Kohle und bevorzugen daher alternative Stromgewinnung. Ökostrom ist in den letzten Jahren ein populäres Schlagwort geworden. Der Strom kommt zwar immer noch wie der konventionell erzeugte aus der Steckdose, doch statt auf Braunkohle und Kernenergie zu setzen, wird auf umweltfreundliche und nachhaltige Kraftwerke geachtet. Allerdings gibt es da für alle, die auf Tierprodukte verzichten wollen, ein Problem. Denn die alternative Stromgewinnung setzt auch auf Strom aus Biogas. Das ist bei einer veganen Lebensweise nicht akzeptabel, da Biogas aus Pflanzen gewonnen wird, die nur zur Verbrennung in der Anlage angebaut werden. Oder alternativ aus Gülle, die von Massentierhaltungsbetrieben bezogen wird.
Ökostrom ist nicht unbedingt vegan
Im Ökostrom ist leider nicht immer drin, was der Name suggeriert. Der Begriff ist nicht geschützt, deshalb werben auch Unternehmen mit dem grünen Strom, die weder ökologisch noch nachhaltig wirtschaften. Man nennt das Greenwashing, denn unter dem umweltfreundlichen Deckmäntelchen verbergen sich oft Unternehmen, die mit Konzernen wirtschaftlich verbunden sind, die auf Atomkraft setzen. Manche verpacken ihren Strom auch in Zertifikate und versuchen so, das ökologische Gewissen zu beruhigen. Doch gibt es so etwas wie vegane Stromanbieter? Veganer Strom bedeutet, dass die Energie nur aus Wind- und Wasserkraftanlagen oder aus Sonnenenergie bezogen wird. Doch auch hier kann der Teufel im Detail liegen. Immer wieder kommt es an Windkraftwerken zu Vogelsterben in den Rotoren. Vegane Stromanbieter müssen dann entsprechende Maßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen auf Vögel und andere Tierarten wie Fledermäuse so gering wie möglich zu halten. Bei Wasserkraftwerken ist es Pflicht, dass Fischtreppen an den Turbinen vorbeiführen, damit der Tierschutz sichergestellt ist. Am leichtesten ist dies jedoch mit Solarstrom zu bewältigen, da diese Methode der Energiegewinnung sicherstellt, dass es nicht zu Vogelsterben kommt oder andere Tiere bedroht werden. Übrigens gibt es mittlerweile auch für das Biogas eine Lösung. Statt Gülle können hier einfach Zuckerrüben verwendet werden. Das unterstützt keine Monokulturen, ist klimafreundlich, nachhaltig und zu 100 Prozent vegan.